chez del - hat star wars iii gesehen
21. März 2003 um 12:58:57 MEZh

[...]

Und doch will die Tragik des Krieges bedacht sein. Als Nietzsche vom Ursprung der Tragoedie sprach, ist er der Bedeutung des Wortes nicht genuegend nachgegangen. „Tragoedie" heisst „Ziegengesang" (von „tragos=Ziegenbock" und „acidos=Saenger"). Wir haben es bei der Tragik des Kriegs mit dem Besingen von Ziegenboecken zu tun, und zwar nicht nur von Pan, sondern ebenso vom Suendenbock: der Krieg ist sowohl panisch wie suendhaft. Und zwar ist der Krieg panisch, gerade weil er ins Horn blaest, welches dazu bestimmt ist, den Suendenbock auszutreiben. Dieses Horn (hebr. Schofar) ist die Kriegsposaune, vor welcher die Feinde in panischen Schrecken weichen, und welche jenes letzte Gericht meldet, dank welchem wir alle anders werden. Dank solch einer Posaune ist jeder Krieg der letzte Krieg aller Kriege, er wird gefuehrt, um alle kuenftigen Kriege zu vermeiden, er ist jenes letzte Gefecht, von dem die Internationale spricht, kurz: die Posaune zeigt den tragischen Bloedsinn des Krieges. Man darf sich das mit der Panik, mit dem Suendenbock nicht zu bequem machen, und den Krieg nicht zu einem phallischen Festspiel machen, worin wir all die Narren abgeben. Denn wenn wir den Krieg derart freudisieren, vergessen wir an seinen relativ spaeten, jungsteinzeitlichen Ursprung, und koennen glauben, er sei in unserer genetischen Information vorgeschrieben. Im Gegenteil: um Krieg fuehren zu koennen, muessen die Helden einander gegenseitig zuerst ins Bockshorn jagen. Von selber, instinktiv, fuehrt niemand Krieg, weil jeder lieber auf der faulen Haut liegt. Wir sind eher fuer das kontemplative Leben programmiert, sind eher friedlich doesende als heldische Tiere. Ethologen zeigen, dass Graugaense kriegerischer sind als wir, und daher erinnern Kriegsfeiern und Kriegsreden so sehr an Geschnatter. Kurz: der Krieg ist eine kulturelle Simulation einer uns artfremden Sexualitaet, und Helden sind kuenstliche Ziegenboecke und Gaenseriche. Alles bisher Gesagte scheint sich auf den Krieg zur Bronzezeit zu beziehen und nichts mit dem Atomkrieg oder selbst mit jenem im Irak zu tun zu haben. Denn all dies bezieht sich auf heldische Kriege, also auf Ziegenboecke und Gaenseriche, und nicht auf jene bloekenden Schafsherden, in welche der gegenwaertige Krieg die Gesellschaft verwandelt.

[...]

Vilém Flusser - Vom Vater aller Dinge

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28. Juli 2002 um 01:54:33 MESZh

widerspruch? anybody?

"Die Tatsache, dass sich keine These findet, die nicht kontrovers erörtert würde oder werden könnte, zeigt deutlich, dass unsere natürliche Urteilskraft das, was sie überhaupt zu erfassen vermag, kaum schlüssig erfasst. Mein Urteil über eine Sache kann meinesgleichen mitnichten dazu bewegen, es zu seinem zu machen - ein Zeichen, dass ich sie auf andere Weise als durch ein natürliches Vermögen erfasst habe, das ich ja mit allen übrigen Menschen teilen sollte. Selbst wenn wir den unendlichen Meinungswirrwarr unter den Philosophen einmal beiseite lassen, diese universalen und schier endlosen Auseinandersetzungen über die Erkenntnis der Dinge, diese unaufhörlichen Zwiste und Zerwürfnisse (denn das dürfte wohl unumstritten sein, dass sogar die von Natur aus fähigsten Gelehrten sich in nichts einig sind, nicht einmal darin, dass der Himmel über unserm Kopf ist...) - selbst dann ist schon aus der Verwirrung, in die unser eignes Urteilen uns stürzt...leicht zu erkennen, dasss es auf recht wackligen Füßen steht. Wie verschiedenartig bewerten wir doch die Dinge! Wie oft ändern sich unsere Vorstellungen! Was ich heute meine und glaube, das meine ich und glaube ich aus innerster Überzeugung: All meine Kräfte stehn mir mit allem, was sie vermögen, dafür ein. Keine Wahrheit könnte ich mit größerer Inbrunst mir zu Eigen machen und bewahren als diese. Und dennoch: Ist es mir nich widerfahren, - und ´das keineswegs nur einmal, sondern hundertmal und tausendmal und alle Tage -, dass ich mir hernach mit denselben Kräften und derselben Inbrunst irgendeine andere Wahrheit zu Eigen machte, die ich inzwischen auch wieder als falsch verworfen habe. Man sollte wqenigstens durch Schaden klug werden! Wenn ich mich so oft unter diesem Banner des Fürwahrhaltens verraten fand, wenn sich mein Prüfstein gewöhnlich als trügerisch und meine Waage als falsch eingestellt erweis, mit welcher Sicherheit kann ich mich dann nächstes Mal mehr darauf verlassen als bisher? Ist es nicht Torheit, mich ständig von ein und demselben Führer irreführen zu lassen? Doch das Schicksal mag uns fünfhundertmal hin und her schieben, unsrer Glaubensbereitschaft wie einem Fass Überzeugungen einschütten und ihr neue einschütten, ohne Unterlass - stets wird die jüngste, die augenblickliche Überzeugung us die allein sichre und unfehlbare sein! Für sie gilt es Gut und Blut zu opfern, Ehre und Seelenheil - einfach alles." Michel de Montaigne. in: Felix Mitterer, Flucht aus der Beliebigkeit. 2002.

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5. Juni 2002 um 12:58:58 MESZh

"...Filme der letzten Jahre, die in einem übereinstimmen: in ihrer paranoiden Ontologie, also in der Vorstellung, dass Realität von anderswoher programmiert wird." [...] Die Agenten des Widerstandes müssen mit den Agenten der Manipulation eines gemeinsam haben: dass sie über das Wissen von beiden Seiten verfügen, dass sie die Differenz beider Welten sehen können, dass sie über die Grenze hin- und herwechseln können. Erst das ist die Chance zu Wahrheit und Freiheit. [...] Benjamin Marius Schmidt, "Buddhismus und Paranoia in der Matrix"

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5. Juni 2002 um 11:35:15 MESZh

"Vom neuronalen Darwinismus zum Darwinismus der Programme ist es nur ein Schritt. In Matrix sehen wir das Ende dieser Schritte: die Unterwerfung der neuronalen Programme des Gehirns unter die im evolutionären Wettstreit überlebt habenden vernetzten Programme der Computer. Was bei dieser Entwicklung logisch kohärent ist, ist die Ersetzung der Welt der Gegenstände und Phänomene durch die Welt der Programme und Illusionen. Während die Gehirne und ihre neuronalen Programme die Gegenstandswelt prozessieren, verarbeiten die Computer und ihre numerischen Programme (Bitmaps) die Zeichenwelt und manipulieren damit die Signale des Gehirns. [...] Die Simulation der Welt tritt bei zunehmender Mechanisierung der Welt an die Stelle der Welterfahrung. Der Gedanke der Simulation ist also eine Folge des Maschinen- und des Softwaredarwinismus. [...] Der Einstieg von oben, von der realen Welt in die simulierte Unterwelt, erstellt erstmals eine ontologische Hierarchie. Wenn nun aber simulierte Welt und reale Welt ununterscheidbar sind, sind sie ontologisch gleichwertig. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer Umwertung. Die klassische reale Welt wird zu einer Modellwelt, zu einer Subwelt, zu einem Baby-Universum, über dem sich der Cyberspace als superiore Welt wölbt. Jede Welt enhält eine beobachtbare Subwelt, die wiederum eine weitere beobachtbare Subwelt enthält. Gerade dieses Modell wurde erstmals von D. F. Galouye in seiner Science Fiction »Simulacron Three« 1964 vorgetragen. Daher entsteht der Verdacht, dass die sogenannte reale Welt nur die Subwelt einer höheren Welt ist. Dies ist der Ausgangspunkt des Films »Matrix«. [...] Die sinnlich wahrnehmbare sogenannte reale Welt ist simuliert, der Cyberspace hingegen ist die wirkliche Welt. Die klassische Physik lehrt uns, Information entsteht aus der Realität. Die Quantenphysik bekehrt uns, die Realität entsteht aus der Information. Matrix folgt dem quantenphysikalischen Modell und verkehrt so radikal wie kein Film zuvor die klassische Ontologie. Durch diese Theorie von Exo- und Endouniversen wird auch eine neue Beobachterunterscheidung notwendig, nämlich in interne und externe Beobachter. Der externe Beobachter steht ausserhalb des Systems, des Systems, das er beobachtet. Der interne Beobachter ist Teil des Systems, das er beobachtet. [...] Der Cyberspace hat uns gelehrt, dass wir bei der Beobachtung von Welt von zwei verschiedenen Beobachterpositionen ausgehen müssen. Die klassische Physik hat die Illusion genährt, wir könnten externe Beobachter der Welt sein, deren Akt der Beobachtung die Welt nicht verändert. Die Relativitätstheorie hat die Abhängigkeit der Welt von der Lichtgeschwindigkeit gezeigt. Die Quantentheorie hat die Beobachterrelativität eingeführt. Die Welt sieht so aus wie wir sie beobachten. Wir leben in der Welt des inneren Beobachters. Wir leben in einer Endo-Welt. Matrix zeigt uns, dass die Schnittstellen zwischen den diversen Endo-Universen durchlässig sein können (siehe die Funktion des Telefons als Transfer). There‚s a Universe next door. Let‚s go. (E. E. Cummings)."

Peter Weibel, "Endo-Universen von Simulacron III bis Matrix", nicht ausgearbeitetes Vortrags-Skript

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4. Juni 2002 um 17:53:19 MESZh

"Die einzige Theorie, die unser reales Verhältnis zur medialen Welt beschreibt, ist die Verschwörungstheorie, und wir wissen, daß gerade im Bereich der Kultur die Verschwörungstheorie die einzige Theorie ist, die wirklich gilt. [...] ...die Erfahrung, daß es eigentlich völlig gleichgültig ist, ob die Zeichen, die Bilder, die Medien uns die Wahrheit sagen oder die Lüge, ob sie simulieren oder nicht simulieren. [...] Auch in Bezug auf die Wahrheit muß man sich fragen: Warum ist diese Wahrheit plötzlich da? Warum bin ich mit dieser Art Wahrheit plötzlich konfrontiert? [...] Alles was heute geschrieben wird, in welchem Sinne auch immer, oder gefilmt oder gemalt oder ich weiß nicht was - im Zentrum unserer gesamten Kultur steht der Privatdetektiv. Das ist sehr einfach nachzuweisen: Umberto Eco schreibt nur Kriminalromane, Robbe-Grillet schreibt nur Kriminalromane, alle Filme sind Kriminalfilme; Liebesgeschichten interessieren überhaupt keinen. Man spricht zwar ständig über das Begehren, aber das interessiert wirklich niemanden. Die Liebesgeschichte - das kann man an jedem beliebigen Film beweisen - ist nur da für die Pausen zwischen unterschiedlichen Ebenen der Untersuchung, ob ein bestimmter Verdacht sich bestätigt oder nicht. [...] ...die neueren Filme wie “Matrix”, “Truman-Show” oder “Total Recall” sind nichts anderes als die Verfilmung der Frankfurter Schule. Diese Filme beschreiben den Film als Urverbrechen. [...] Was ihnen [den Zusehern] gezeigt wird, ist die Normalität; ihnen wird der Alltag gezeigt, die alltägliche Normalität. Das ist der adornitische Gedanke schlechthin, daß die größte Täuschung die Normalität ist, daß gerade der Ort der Normalität der Ort des maximalen Verdachts ist und daß die Zeichen der Versöhnung mit dem Alltag das Gefährlichste sind. [...] Erst wenn ich weiter und weiter gehe und plötzlich verstehe, daß alles, was passiert, von Aliens schon längst geplant ist und kontrolliert wird, oder wenn ich feststelle, daß mein Kühlschrank mich plötzlich zu verfolgen beginnt und mich durch Erfrieren vernichten will, bin ich sofort beruhigt und weiß: Jetzt bin ich bei der Wahrheit angekommen, jetzt weiß ich endlich, was Sache ist. [...] Man kann aber auch intelligenter mit dem Verdacht umgehen, indem man sich selbst zum Objekt des Verdachts macht und sagt: Ich bin eigentlich die Quelle allen Übels!, den Verdacht sozusagen in seiner eigenen Person bestätigt.[...]In der Politik ist Martin Walser ein gutes Beispiel, der ein ziemlich langweiliges Buch sehr gut verkauft hat, indem er sich mit einer Rede selbst zum Objekt des Verdachts gemacht und diesen Verdacht als Werbung für seine schriftstellerische Produktion benutzt hat."

Boris Groys, "Der Verdacht ist das Medium!"

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1. Mai 2002 um 16:58:46 MESZh

einfluss [cinco]

"Für bestimmte Kinder, unter bestimmten Bedingungen ist bestimmtes Fernsehen schädlich. Für andere Kinder unter denselben Bedingungen, oder für dieselben Kinder unter anderen Bedingungen, ist der größte Teil des Fernsehprogramms wahrscheinlich weder schädlich noch besonders nützlich." (Willbur Schramm, Kommunikationswissenschaftler, 1961. Via hier.)

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1. Mai 2002 um 16:21:03 MESZh

einfluss [cuatro]

"Konstruktionen von Wirklichkeit durch Medien können hochgradig indifferent gegen Fakten und dennoch effektiv sein, wenn sie Kriterien der Plausibilität, der Glaubwürdigkeit, des Augenscheins erfüllen. Diese Kriterien aber lassen sich [...] hervorragend durch eine entsprechende Inszenierung in den Medien vortäuschen." (Merten, Klaus: "Inszenierung von Alltag. Kommunikation, Massenkommunikation, Medien" in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hg.) - "Funkkolleg Medien und Kommunikation, Studienbrief 1", Weinheim/Basel 1990, S. 78-108)

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. heute die metallica-doku gekauft. in der metro.
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. Bier statt stilles Wasser, Alltags-Texte statt hermetischer Lyrik - das kam auch bei Leuten an, die bei Buchhandlungs-Lesungen vor Langeweile vom Klappstuhl kippten. ... Plötzlich ging man nicht mehr "zu einer Lesung",...
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