chez del - hat star wars iii gesehen |
Freitag, 14. Mai 2004
14. Mai 2004 um 12:32:55 MESZh
. "Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Plötzlich bekam Hoshino Lust, einen Kaffee zu trinken. Als er sich umschaute, entdeckte er, etwas von der Einkaufszeile zurückgesetzt, das Schild eines altmodischen Cafés, wie man es heutzutage nur noch selten findet. Er ging hinein, setzte sich in einen der gemütlichen, weichen Sessel und bestellte eine Tasse Kaffee. Aus den englischen, mit solidem Walnussholz verkleideten Lautsprechern ertönte Musik. Er war der einzige Gast. Der junge Mann ließ sich tief in den Sessel sinken. Zum ersten Mal seit langem konnte er sich einmal entspannen. In dem Café herrschte eine so heitere, ungezwungene Atmosphäre, dass er sich wohl und behaglich fühlte. In einer sehr stilvollen Tasse wurde ihm ein kräftiger, schmackhafter Kaffee serviert. Er schloss die Augen und lauschte ruhig atmend dem Einklang von Klavier und Streichern. Er hate bisher kaum klassische Musik gehört, aber aus irgendeinem Grund beruhigte sie ihn. Ließ ihn nach Innen schauen, könnte man vielleicht sagen. Während er sich mit geschlossenen Augen in dem weichen Sessel der Musik hingab, kamen ihm allerlei Gedanken, die sich hauptsächlich um sein eigenes Dasein drehten. Je mehr er darüber nachdachte, desto inhaltsleerer erschien ihm sein Leben. Es kam ihm bedeutungslos und überflüssig vor. Da bin ich zum Beispiel die ganze Zeit Feuer und Flamme für die Dragons gewesen, dachte er. Aber was für eine Bedeutung haben die eigentlich für mich? Werde ich vielleicht besser, wen die Chunichi Dragons über die Yomiuri Giants siegen? Nein. Also, wieso habe ich die bis jetzt angefeuert, als wären sie die Stellvertreter für mich? Nakata sagt von sich, er sei leer. Kann ja sein. Aber wie steht es denn mit mir? Nakata ist, wie er sagt, als Kind durch einen Unfall leer geworden. Aber ich hatte keinen Unfall. Wenn Nakata leer ist, bin ich dann, wenn ich's mir recht überlege, nicht noch leerer? Nakata hat zumindest etwas, das mich dazu gebracht hat, ihn nach Shikoku zu begleiten. Etwas Besonderes. Auch wenn ich eigentlich nicht genau weiß, was. Der junge Mann bestellte sich noch einen Kaffee. [...] Irgendwie habe ich das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Die Frage, was ich überhaupt bin, spielt für mich gar keine Rolle, wenn ich mit Nakata zusammen bin. Der vergleich ist vielleicht etwas übertrieben, aber irgendwie komme ich mir vor wie ein Jünger von Buddha der Jesus. So muss es gewesen sein, Buddha zu folgen. Dabei geht es nicht um komplizierte Dinge wie eine Lehre oder die Wahrheit, sondern um dieses Gefühl. Als ich klein war, hat mir mein Großvater manchmal von Buddhas Jüngern erzählt. Einer von ihnen hieß Myoga, ein ziemlich dämlicher Kerl, der sich nicht ein einziges einfaches Sutra merken konnte, sodass die anderen Jünger sich über ihn lustig machten. Eines Tages sagte Buddha Shakyamuni zu ihm: "He, Myoga, du bist ja nicht gerade der Klügste, also brauchst du kaine SUtren mehr zu lesen. Stattdessen setzt du dich in den Flur und putzt die Schuhe von den anderen." Myoga war ein unkomplizierter Mensch, und deshalb murrte er nicht: "Das soll wohl ein Witz sein, Shakyamuni. Du kannst mich mal", sondern putzte gehorsam zehn, zwanzig Jahre lang fleißig die Schuhe. Und eines Tages erlangte er - peng - mit einem Mal die Eeleuchtung und wurde einer der herausragendsten Jünger Shakyamunis. Dass Hoshino sich noch so gut an diese Geschichte erinnerte, lag wohl daran, dass er ein Leben, in dem einer zehn oder zwanzig Jahre Schuhe putzte, so beschissen gefunden und für den hinterletzten Quatsch gehalten hatte. Aber als er jetzt noch einmal darüber nachdachte, rührte diese Geschichte in seinem Herzen eine besondere Saite an. Das Leben ist so und so beschissen, dachte er. Als ich klein war, habe ich das nur noch nicht gewusst." H. Murakami, Kafka am Strand, S. 438-441
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