chez del - hat star wars iii gesehen
Donnerstag, 13. Juni 2002
13. Juni 2002 um 16:22:54 MESZh

Lenny Kravitz, Prototyp

Eine gute Frage lautet: Was hat Frankreich, was wir nicht haben? Sie werden jetzt wahrscheinlich eine bessere Frage haben, etwa: Was hat das mit Lenny Kravitz’ einzigem Österreich-Konzert zu tun? Ich will Sie nicht auf irgendeine Folter spannen, Spannung ist out, darum gleich zur Antwort: Frankreich hat anscheinend Felder, die Freude machen und es wert sind, besungen zu werden. Dass wir auch total schöne Felder haben weiß Mister Kravitz anscheinend nicht, weil: Sonst hätte er auf dem zubetonierten Salzburger Residenzplatz „Fields of Joy“ genauso gespielt wie am 29. Mai bei seinem Paris-Konzert am Fußballfeld. Dort war die Eröffnungsnummer seines grandiosen zweiten Albums „Mama Said“ von 1991 das zwölfte Lied von in Summe 17 vorgetragenen. Bei seinem mittwöchigen Auftritt hat Lenny Kravitz lediglich 16 Lieder gespielt, die Pariser Reihenfolge hielt er dabei fast strikt ein. Nur bei der Nummer zwölf eckte plötzlich das fetzige Gitarrenintro von „American Woman“ über den Platz, voll die Überraschung, oh yeah. Gäb’s keine werbenden Hitradios, wüsste ich (wenn ich ehrlich sein soll) nicht, dass die alte Freudenfelderhippiegaudi überhaupt noch auf dem Speiseplan Kravitzscher Vorstellungen auftaucht. Aber, um auf den Punkt zu kommen: Im verteilten Hochglanztourprospekt war eben jene „Setlist vom Frankreich-Konzert“ abgedruckt, die man natürlich nutzt, wenn man sie schon hat, auch wenn das die Spannung killt, wie nur was. Zumindest ein bisschen Dass bei Pop-Konzerten eine einstudierte Show über die Bühne geht, an der zuviel Technik und Präzision hängt, als dass für Improvisation oder Spontaneität Platz ist, daran hat man sich schon gewöhnen müssen. Aber Lenny, das war bis dato schon noch Rock, irgendwie. Erdig. Ehrlich. Hendrix. Auch wenn sein klassischer Retrorock mit der Zeit statisch und hitradioig wurde, ihm scheinbar nichts besseres einfiel, als sich die Dreadlocks entfernen zu lassen und er damit erfolgreicher wurde denn je: In unserem Herzen war er doch noch immer ein bisschen dreckig. Aber im Endeffekt ist er wohl zum „Prototyp eines Rockstars!“ (© Hochglanztourprospekt) mutiert, der planmäßig vorgeht und dabei ganz gut ausschaut. Warum denn nicht? Wenn’s Spaß macht? Wenn die Show gut ist? Wenn’s fetzt? Ja, eh. Langweilig ist es halt, aus idealistisch-romantischer Perspektive. Natürlich: Der Typ hat durchs Protosein nicht verlernt, die gepiercte Rocksau rauszulassen. Nein, diese Rolle beherrscht er, ebenso die Stromgitarre und das Publikum: Die Stimmung war fantastisch, und das zu Recht: die zusammengedrängte Masse bekam genug für ihr Geld, auch wenn diese Rockrevue nicht von ganzem Herzen kam. Die sechzehn Lieder wurden vom Lenny und seinen langjährigen Tourbegleitern souverän präsentiert, der Sound war voll und gut, die alten und neuen Hits ziemlich mitreißend (vor allem, natürlich, die alten!). Und immerhin: Es hat auch eine Überraschung gegeben.

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