chez del - hat star wars iii gesehen |
Donnerstag, 21. März 2002
21. März 2002 um 00:41:29 MEZh
schaedelweh hatte folgendes mitzuteilen globus
WTC: Was für ein gewaltiges Ereignis!? "Die Medien machen sich freiwillig zu einem Vehikel der moralischen Verdammung von Terrorismus und zur Ausbeutung von Angst für politische Zwecke; doch gleichzeitig propagieren sie den brutalen Charme des terroristischen Aktes. Die Medien transportieren Bedeutung und Gegenbedeutung, sie manipulieren in alle Richtungen gleichzeitig." Sagte Jean Baudrillard, französischer Gesellschaftsanalytiker, bereits vor mehr als 20 Jahren; so wurde der mittlerweile 73-Jährige einer der "wichtigsten" Medienkritiker und Kulturpessimisten unserer vernetzten, simulierten, hyperrealen, paradoxen, melancholischen, hohlen Zeit; ein Realist des Virtuellen, dessen umfangreiches Werk immer leicht nach Sciencefiction schmeckt; ein Globalisierungsgegner und Fotograf. Dieser Tage hielt sich der selbst ernannte "theoretische Terrorist" in Wien auf, um unter anderem einen Vortrag über "Medien und Terror" im vollen, güldenen Festsaal des Wiener Rathauses zu halten: Der 11. September als Medienevent sondergleichen, als "absolutes Ereignis in einer Welt voll bedeutungsloser Pseudo-Ereignisse wie Dianas Tod oder eine Fußball-WM". Was geschieht nun, wenn die Bilder von etwas derart Unvollstellbarem und Unerklärlichem plötzlich live in unsere Wohnzimmer und Büros projiziert werden? "Statt Information wird Unsicherheit produziert, denn die Flut der banalen Bilder wird unerwartet abrupt angehalten." Damit können wir laut Baudrillard nicht umgehen: "Das ist Fiktion!" Doch dieser Augenblick der Unsicherheit sei schnell vorbei gewesen: Die Medien- und Bedeutungsmaschinerie des "Systems" setzt sich in wiederholenden Gang, und schon "ist das Ereignis als einmaliges Ereignis in der Trauerarbeit und Täuschungsarbeit verschwunden: Gelöscht muss es werden." Die Gewalt der Bilder werde nun, so Baudrillards treffende Analyse, durch die Gewalt am Bild wettgemacht: Die Ausbeutung und Vereinnahmung zu moralischen, pädagogischen, politischen oder anderen, allen möglichen Zwecken. "Das Spektaktel des Terrorismus zwingt uns den Terror des Spektakels auf". Somit sei es am und nach dem 11. September zu einer Verbindung von Phänomenen gekommen, die uns im 20. Jahrhundert am meisten fasziniert hätten: "Die weiße Magie des Kinos und die schwarze Magie des Terrorismus." Durch den medialen "Exzess von Sinn und Bedeutung" töten wir jeden Sinn und jede Bedeutung. Wie üblich verzichtet Baudrillard gänzlich auf die Analyse des Einzelnen, die Reaktion des Einzelnen, die Wahrnehmung des Einzelnen, und das macht ihn angreifbar. Doch Subjekte gibt es in seinem Denken nicht - konsequent entsprechend der Subjektlosigkeit der globalen Ordnung. Apropos: Der moderne Terrorismus ist auch für Baudrillard eine natürliche Nebenerscheinung der Globalisierung oder: "die Metastase eines Krebsgeschwürs." Es gibt keine universelle Ordnung. Jedes System, das diesen Anspruch stellt, fordert Widerstand heraus bzw. produziert diesen. Der Islam ist nicht der natürliche Gegner, sondern ein willkürlicher; Afghanistan nicht der wirkliche Feind, sondern der konstruierte; Al Quaida kein Gebiet; Bin Laden ist "im Mythos verschwunden, selbst sein Tod würde nichts verändern und nichts bringen". Die Halluzination eines greifbaren Gegners führt dazu, dass die USA die strategischen Sieger sind, aber die symbolischen Verlierer. In höchstem Maße verunsichernd ist laut Baudrillard, dass sich die fundamentalistischen Gegner des Systems im System selbst aufhalten, jahrelang, sich nicht kompromittieren lassen und sich der Mittel und Medien des Systems bedienen: der Terrorist als Virus, unkenntlich, mutiert, nebenan (?), in den Adern und Zellen und Börsen zirkulierend. Wie Keanu Reeves in der "Matrix". In Bälde erscheint Jean Baudrillards Essay "Der Geist des Terrorismus", der in Frankreich einen Skandal provozierte. Gratis (gekürzt) hier zu lesen. [die bilder stammen übrigens vom sonntäglichen vortrag im volkstheater]
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