chez del - hat star wars iii gesehen
Freitag, 13. Dezember 2002
13. Dezember 2002 um 21:54:49 MEZh

Schluss. Folgerung.

Die konstruktivistische Erkenntnistheorie bzw. der konstruktivistische Diskurs bietet in Summe eine überzeugende Art, die menschliche Wahrnehmung im Spannungsfeld zwischen „Realität“, „Medienrealität“ und „Kommunikation über diese“ zu verorten und zu relativieren. Dabei vertritt oder zimmert der Konstruktivismus – wie vielleicht bereits angeklungen ist – ein spezifisches Weltbild, das anderen Ideologien um nichts nachsteht. Denn die Konzeption der Realität als unerreichbarer Horizont ist ein Konzept, das bei (in?)konsequenter Anwendung dazu führt, das die Welt als von Realität umzäunt, und nicht mehr als von Realität durchspült, wahrgenommen wird. Notwendig konstruierte Kontroversen (Selbst-Platzierungen) wie ‚Konstruktivismus versus Realismus‘ „tragen alle Anzeichen einer übereilten Reaktion.“ Denn beide erkenntnistheoretischen Varianten sind unbeweisbar, also beliebig und individuell je nach Geschmack bzw. Nützlichkeit zu entscheiden. Der einzige Unterschied zum Realismus und dessen (ach so bösen!) Vertretern ist in dieser Hinsicht im wahrsten Sinne lediglich die Hin-Sicht: Konstruktivisten treten einfach einen Schritt zurück und beobachten die Realisten dabei, wie sie davon überzeugt sind, die Realität wahrzunehmen. Wer aber tritt hinter die Konstruktivisten?

Konstruktivisten selbst: Indem sie während der Beobachtung von Beobachtung versuchen, sich selbst zu beobachten. Dabei entdecken sie, dass (und vielleicht irgendwie wie) sie das Verstehen verstehen, über das Denken nachdenken, über Sprache sprechen und über Kommunikation kommunizieren. Wie man aus diesen „autologischen Zirkeln“ heraustreten kann ist meines Wissens noch nicht beantwortet.

Der Konstruktivismus bietet also einerseits ein plausibles und trittfestes Terrain, die Welt mit anderen Augen zu sehen; andererseits begibt man sich gleichzeitig auf dünnes Eis, denn es ontologisiert sich gerade dann besonders schnell, wenn jegliche Ontologie offiziell verabschiedet wurde. Doch diese Untergrund-Ontologisierung ist unausweichlich, denn jede Diskussion, erfolge sie mit Mitmenschen oder mit sich selbst, arbeitet mit Begriffen, die als gegeben hingenommen werden – müssen. Es ist unmöglich, hinter die – in der wahren Welt inexistenten - Begriffe zu treten und ohne sie intern oder extern zu kommunizieren. Versucht man es landet man unweigerlich bei anderen, eventuell neuen Begriffen: Wir kommunizieren nicht nur, sondern denken und existieren nur in Begriffen; selbst wenn wir uns Farben und Geräusche vorstellen denken wir uns „ihre Namen“ dazu.

Der mögliche Schritt hinter den Konstruktivismus wird (vielleicht) von dem Klagenfurter Sprachphilosophen und ausgesprochenen Nicht-Konstruktivisten Josef Mitterer vollzogen. In seinen faszinierenden Werken „Im Jenseits der Philosophie“ (1992) und „Die Flucht aus der Beliebigkeit“ (2001) sucht er nicht nach Unterschieden zwischen Konstruktivismus, Realismus und allen anderen abendländischen Philosophien, sondern nach deren elementaren Gemeinsamkeiten. Sein Urteil ist, dass bisher keine Philosophie aus dem traditionellen dualistischen Denkschema ausbrechen konnte. Dieser Dualismus besteht aus der ständig getätigten Unterscheidung [!] zwischen der Objektebene und der Sprachebene, „zwischen Sprache und Wirklichkeit, Aussage und Gegenstand, zwischen Erkenntnis und Erkenntnisobjekt, zwischen dem, was wir reden und dem, worüber wir reden, zwischen Geist und Welt, Schein und Sein, Bewusstsein und Sein, zwischen einem Diesseits und einem Jenseits des Diskurses.“ Sämtliche Philosophien versuchen im Laufe ihres Erkenntnisprozesses – ob sie es wollen oder nicht – sich mit den Begriffen ihrer Sprache den Objekten so weit wie möglich anzunähern. Das Denken zielt dabei „in allen Positionen der Philosophie auf das Objekt des Denkens – was immer als Objekt dienen mag: die Welt, die Wirklichkeit, eine Objektsprache, ein Gegenstand.“

Dass es diesen dichotomischen Unterschied zwischen Objekt – und Sprachebene gibt wird nicht in Frage gestellt: Dies ist der Basiskonsens aller Philosophien. Das „wie“ des Zusammenhangs zwischen Objekt einer Beschreibung und Beschreibung eines Objekts ist es, dessen Klärung sich sämtliche Philosophien auf ihre Fahnen heften. Eine Beschreibung ist unabhängig vom philosophischen Ausgangspunkt „dann wahr, wenn das Objekt schon im Vorhinein der Beschreibung so ist, wie es im besten Fall, im Wahrheitsfall beschrieben wird.“ Es hat also eine (interne) Beschreibung stattgefunden, bevor ein Objekt dem entsprechend beschrieben wird. Diese Voraussetzung des Objekts führt dazu, dass das Objekt so ist, wie es beschrieben wird. Jede dualistische Philosophie verlautbart nun – auf durchaus nachvollziehbaren Wegen - die Wahrheit entdeckt, die Antwort gefunden zu haben. Für konkurrierende oder entgegengesetzte Auffassungen ist das natürlich höchst unbefriedigend und unnachvollziehbar. Innerhalb der philosophischen Meinungsvielfalt kann (sich) demnach die Eine die Welt erklären und beschreiben, wie sie ist und gleichzeitig von der Anderen ebenso schlüssig als unwahr enttarnt werden. Dass aber eine

„Theorie scheitert oder widerlegt wird heißt nicht mehr, als dass sie der Theorie zuwiderläuft, von der aus Scheitern und Widerlegung konstatiert werden. In der Wissenschaft finden sich vermutlich kaum theoretische Konstruktionen – es sei denn, niemand kennt sie außer ihren Vertretern – die nicht von irgendeiner anderen Theorie widerlegt wurden. [...] Viele, wenn nicht die meisten Vertreter ihrer Theorien haben diese trotz aller Anfechtungen und Vorwürfe des Scheiterns, trotz aller Falsifizierungen bis zum Ende ihres Lebens vertreten. Oft haben sie auf die Widerlegung ihrer eigenen Theorie mit der Widerlegung jener Theorie geantwortet, von der aus sie widerlegt wurden. Und wenn sie denn ihre Theorie zugunsten einer anderen Theorie aufgegeben haben, dann haben sie erst vom Ansatz ihrer Nachfolgetheorie aus ihre frühere Theorie als gescheitert erklärt“ .

So kommt es laut Mitterer, dass die ältesten Probleme der Philosophie bis heute nicht endgültig beantwortet sind – und es auch nie werden. Denn ihr dualisierender Ausgangspunkt ist schlichtweg beliebig, eine Frage von Geschmack und Zufall.

Auch der Konstruktivismus arbeitet in den Augen Mitterers mit dualistischen Techniken und Strategien, wenn er diese auch anders nennt und althergebrachte, unmittelbar dualistische wirkende Begriffsdichotomien wie wahr/falsch zu verabschieden und durch neue wie viabel/nicht-viabel zu ersetzen sucht. Für Mitterer ist die Konzeption des Konstruktivismus, dass wir selbst für das Gelingen unserer Konstruktionen, die Realität jedoch für deren Scheitern verantwortlich ist und es nur dann zu einem direkten Kontakt mit ihr kommt, nicht konsequent. Der Konstruktivismus „ist“ demnach nicht radikal genug, nichts weiter als eine spezifische Ausgangslage mit eigenen Begriffen und deren kontextuell eigentümlichen Bedeutungen. Er ist „eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit, der Realismus ist eine andere Antwort“ . Mitterer geht so weit, den Realismus als einem Sonderfall des Konstruktivismus zu begreifen:

„In seiner Kritik universalisiert der Konstruktivist jedoch die eigenen Grundsätze zu Voraussetzungen, die auch für Realisten gelten. Er kann dem Realisten nicht zubilligen, dass er im Gegensatz zu ihm die Welt tatsächlich erkennt und also zu Recht Realist ist. Wenn die Welt zu 100 Prozent die Welt meiner Erfahrung und mein Erleben ist, wenn Wissen ausschließlich eine interne Konstruktion des menschlichen Subjekts ist, dann gilt dies auch für den Realisten, ob er dies wahrhaben will oder nicht: Der Realist ist in Wirklichkeit ein Konstruktivist.“

Sollte es also stimmen, dass man heute nicht nicht konstruieren kann, so ist es heute nur noch eine philosophische Redensart, ob man diese eine Sphäre, in der sich alles ereignet, nun Realität oder Konstrukt nennt. Dem Konstruktivismus sei „immerhin anzurechnen, dass er sich mit dieser [dualistischen] Argumentationsweise nicht wohl fühlt und mit dem Problem kämpft, eine Terminologie zu verabschieden, die zutiefst objektivistisch und realistisch geprägt ist“ . Doch im Endeffekt wird für Mitterer „der Widerstreit zwischen konstruktivistischer Hervorbringung von Wirklichkeiten und realistischer Reduktion in Richtung auf die eine Realität nach Präferenzen zu entscheiden sein, die aus Voraussetzungen gewonnen werden, die dann zwingend sind, wenn wir sie machen“ .

Ich habe mich (unbewusst) gezwungen zu entscheiden.

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