der gepäcksankunfthalle des wienerflughafens ist gestern vergeblich versucht worden, einen mann wiederzubeleben. und du stehst da, wartest auf deinen koffer und schaust blöd.

Eine Woche Popsong-Contest. Sieben Tage Wichtigtuerei hoch Drei für in Summe 24 mal drei Minuten. Und du: Mittendrin als einer von knapp 1000 Journalisten. Wie sich natürlich schnell herausstellt offenbar als Einziger mit gutem Musikgeschmack und Sinn für Ironie. Du hörst sie überall und ständig: die perfekt produzierten Popsongs, die dir so wenig gefallen wie sonst kaum etwas auf der Welt. Weil du nicht zum Spass da bist gibst du dir die pausenlosen Proben, Pressekonferenzen und PR-Parties und bist dankbar, dass die lokale Bierbrauerei ein spendables Herz für Journalisten hat. Während des ersten Tages stehen dir dennoch ununterbrochen die Haare zu Berge. Du wunderst dich, wie du das Blabla und Lala eine ganze Woche aushalten sollst ohne wieder zu Rauchen zu beginnen. Statt Nikotin nimmst du am zweiten Tag wieder Fingernägel zu dir. Du lernst Kollegen kennen, die zum zehnten Mal dabei sind und/oder Fans, die unheimlich viel Geld ausgeben, um es hautnah zu sein. Diese Experten prophezeien dir: "Irgendwann kriegen sie dich". Sie meinen die Songs des Contests. Du schüttelst deinen Nachnamen so heftig, dass er dir am dritten Tag ziemlich weh tut. Du beschliesst, nicht mehr mit den anderen zu sprechen. Dann, am vierten Tag, ertappst du dich plötzlich selbst beim Pfeiffen der spanischen Melodie. Du kannst es nicht packen; hast das Gefühl, dich selbst zu verraten; versuchst dich zusammen zu reissen; an Nirvana zu denken. Als du irgendwann im Laufe des nächsten Tages rekapitulierst, dass du unter der Dusche den belgischen Interpreten imitiert, beim Anziehen an die Lettin gedacht und am Frühstückstisch "I Can't Live Without Music" vor dich hingemurmelt hast gibst du dich geschlagen: Pop ist stärker. Widerstand zwecklos. Am sechsten Tag klatscht du bei den Generalproben im Takt. Und am siebten Tag, in der Nacht auf den achten, stehst du im Euroclub auf der Tanzfläche, schuettelst deinen Körper zur zypriotischen Boyband und skandierst selig "Gimme! Gimme! Gimme your lovin!". Bleibt nur noch eines zu fragen: Was tun gegen Geschmacksverwirrung?